Vanessa, wie gehst du mit Ängstlichkeit um?
Hm, so gefragt, wie mit einem ängstlichen Kind, obwohl da niemand ist.
Denn im Bauch erscheint nur ein Gefühl des Zusammenziehens, was sich wie anfühlt.
Okay, ein Beispiel:
Vorm Haus am Baum steht ein regengeschütztes Fahrrad.
Hausbewohner empfangen Vanessa an einem Frühlingstag mit dem lachenden Hinweis, dass es jetzt wohl bald ansteht, Fahrrad zu fahren. „Oh, das geht hier nicht immer“ antwortet Vanessa. Eine etwa um die 70 Jahre alte Mitbewohnerin sagt, mit dem Kopf nickend: „Ja, ja ich kann es schon lange nicht mehr.“
Ein gut aufgelegter Nachbar strahlt Vanessa an und ruft ihr zu:
„ Ach, das können sie! Nur Mut! Sie schaffen das allemal! Und der Körper muss bewegt werden!“
Die alte Dame dreht sich etwas traurig um und geht. Der gute Nachbar winkt Vanessa nochmals zu und besteigt voller Elan sein Fahrrad und radelt davon.
Es vergehen Wochen, und das Fahrrad wird immer nur fragend angeschaut, wenn Vanessa das Haus zufuß verlässt.
Und es wird gesehen, da ist Ängstlichkeit. Die alten Hände haben oft nicht die Kraft um etwas fest, wirklich festzuhalten. Hm, keine Ahnung, wie und wann Fahrrad gefahren werden will und kann.
Und dann eines Morgens beim aus dem Haus gehen, steig es auf: „Fahrradfahren“. Einfach so steigt es auf, wie ein zaghafter Wunsch, ein zaghaftes Bedürfnis.
Hm, Vanessa schaut an sich herunter, und sieht, dass sie keinen Rock, sondern eine Hose trägt. Schon mal kein Hindernis, wird festgestellt. Doch dann erscheint da so ein Gedanke:
„ich kann das nicht!“ ganz schön kläglich. –
Es ist wie ein Zwiegespräch mit einem ganz kleinen Kind.
„Stimmt! kannst das nicht. Und musst es auch nicht können. Und Mut, wer soll da Mut haben, Mut besitzen, da ist niemand.“
Und da ist Aufatmen; denn nichts zu besitzen und nichts können zu müssen, ist einfach befreiend.
Wie von alleine wird der Regenschutz entfernt, das Schloss geöffnet und die Hände legen sich behutsam auf das Lenkrad. Als die Hände den Lenker umfassen und das Fahrrad leicht anheben, wird es als sehr schwer empfunden. Doch da ist Akzeptanz. Fast streichelnd geht eine Hand zum Sattel, und langsam wird das Fahrrad auf die Strasse geführt.
Und da ist wieder diese Ängstlichkeit, dieses leichte Zusammenziehen im Bauch zu spüren.
„ Nein, nein, nicht >du>! ES fährt!“
Oh, ja. Wieder ist da aufatmen. „Stimmt ES fährt.“
ES fährt ohne Ziel für nichts, einfach nur so.
Und staunend wird gesehen, da macht sich langsam im Bauch, so etwas, wie ein zartes Lächeln b r e i t.