Einfachsein-ist – Klar-wie immer

Es ist kurz vor Weihnachten, als Jürgen Vanessa mitteilt, dass er so wie letztes Jahr seine Mutter abholen möchte, um sie zu seiner Schwester zu bringen, die ganz in der Nähe wohnt, etwa 20 Min. zu Fuß von hier. Seine Mutter ist 87 Jahre alt und wird vom Pflegedienst in ihrem Haus versorgt. Egal, auch wenn sie Windeln braucht, ist es möglich für sie. Und Jürgen ist emsig bedacht, alles in die Wege zu leiten. Die Schwester Brigitte und auch Karl ihr Lebensgefährte sind nicht nur einverstanden, dass sie Heiligabend zum Mittagessen kommt. Sie möchten auch, dass Oma/Hilde erst am ersten Weihnachtstag, so wie immer, von Jürgen wieder zurück gebracht wird, und eine Strecke dauert etwa eine Stunde. So weit, so gut. Es soll wieder Kaninchen mit Rotkohl und Kartoffelklößen geben. Und selbstverständlich wird davon ausgegangen, dass auch Jürgen und Vanessa zum Essen kommen. Upps. Denn so wie das gehört wird, steigt bei Vanessa Ekel auf. Hm, das ist erstaunlich, denn es hat ihr letztes Jahr sehr gut geschmeckt. Doch der Ekel ist im Bauch spürbar. Sie schüttelt den Kopf und wartet erst einmal ein paar Tage, ob sich darin etwas verändert. Doch nein. So wie nur ein Gedanke an Weihnachten aufsteigt, ist da wieder Ekel. Jetzt wird es Zeit mit Jürgen davon zu sprechen. Mann, der wird so richtig wütend und sagt: „Jetzt habe ich das aber satt, dich wieder mal zu entschuldigen. Ab sofort sage ich, dass sie dich fragen sollen warum, weshalb, wieso. Ich habe es satt für dich zu lügen, denn sie sind zwar still, wenn ich ihnen sage, dass du krank bist, doch alles andere wird nicht akzeptiert. Scheiße!! – Also sag es ihnen selbst!“ Vanessa lacht, denn sie hatte ihn nicht darum gebeten. Es ist bei ihr eine Freude, das von Jürgen zu hören. Nun ist ihr aber bekannt, dass Karl wie ein Kind seinen Kopf durchsetzen will. Er redet wie ein Wasserfall oder so beharrlich, als gehe es ihm um Kopf und Kragen. Diesen Redeschwall aufzuhalten, hm? Sie weiß nicht wie. Okay, da ist Nichtwissen. Doch dann ist ihr klar, es will ein Brief geschrieben werden. Toll. Und war da nicht auch ein Bild, das sie den Beiden schenken wollte. Als Karl und Brigitte vor kurzem zu Besuch waren, verliebte Karl sich in zwei Eulen, die von einem Kalender  an der Wand zu sehen waren. Er schwärmte davon: „ Wenn man die einrahmen würde, das wäre schön. Usw.“ Später fiel Vanessa ein, dass sie ja noch so einen Kalender hat und ruckzuck waren die beiden Eulen für Karl und Brigitte eingerahmt und schön verpackt. Nun, der Brief war auch geschrieben. Und zwar so, dass Vanessa einfach davon schrieb, was stimmte, dass sie sie stets  besucht hatte, wenn sie mit ganzem Herzen bei und mit ihnen sein konnte. Doch für zu Weihnachten war bei ihr zu spüren, dass das bei aller Liebe nicht möglich ist. Das mit dem Übelsein ließ sie weg, denn die Übelkeit war einfach aufgestiegen ohne zu sehen, was es wohl sonst noch bedeuten könnte, was ihr auch nicht wichtig war. Kein Gefühl klopft vorher an und fragt, ob es erscheinen darf, es steigt einfach nur auf und es sind die Zusammenhänge nicht immer zu sehen. Und übergehen wollte es Vanessa nicht, sondern dazu stehen, dass es da ist, und in diesem Fall war es für sie eindeutig ein Nein für den Besuch bei Brigitte und Karl. Dann kam der Nachmittag, an dem Vanessa zu Brigitte und Karl ging. Schon auf dem Weg zeigte es sich, dass der Kopf sich schier machtlos fühlte, nur im Hinblick darauf, was sie mit großer Wahrscheinlichkeit erwartete. Und genau diese Machtlosigkeit war ein Segen, denn so war alles offen. – Die beiden empfingen sie wie stets, mit einem lauten, vor Freude aufschreienden, „das gibt’s doch nicht!“. Von da an ratterte das Mundwerk von Karl, wie bei einem Kind, also wie bei Klein- Karlchen. Es gab Tee, der ganz beflissen herbeigebracht wurde. Beide tänzelten voller Freude und Führsorge um Vanessa herum. Es war unmöglich selbst zu sprechen, viel zu anstrengend – da eine Lücke zu finden. Es war einfach nur zu spüren, dass sie Vanessa auf ihre Art liebten; und Vanessa sie auch. Doch im Kopf ist das nicht zu verstehen. Dann war spürbar – zu gehen. Erst jetzt überreichte sie das Geschenk und den Brief und verabschiedete sich auch sogleich, stand auf und ging. Natürlich lief Karl führsorglich hinterdrein, und rief immer wieder: „Pass gut auf dich auf! Komm gut an……“   Vanessa winkte ihnen lachend zu und ging zufrieden lächelnd nach hause. P.S. im Brief stand etwa, folgendes: Ich liebe euch beide. Und gerade deshalb kann ich Weihnachten nicht zu euch kommen. In mir ist ein klares „Nein“. Warum, kann auch dieser Kopf nicht verstehen. Doch möchte ich, wie bisher, nur mit ganzem Herzen zu euch kommen, denn halbherzig wäre es für euch und für mich ohne Würde, und das schmeckt erbärmlich…..

in Liebe Vanessa