Einfachsein-ist – Klar zu mir sehen

Klar zu mir sehen….zu mir stehen.
Hans-Jürgen hatte mich freudig zum Maultaschenessen eingeladen. Ich brachte den bunten Salat mit. Das fand ich sehr schön. Doch als ich zu ihm rein kam, war bei ihm, wie schon oft, ein Leidensgesicht zu sehen. Bei mir war ein „Aha“, er ist doch nicht in Freude. Und in diesem „Aha“ war sofort Ratlosigkeit, Hilflosigkeit und mir ging die Luft aus. Denn er hatte mich doch freudig zum Essen eingeladen. Hm, und ohne Freude kann ich nicht gemeinsam mit ihm essen, das macht mir Bauchweh. Doch ich kam nicht dazu, ihm das zu sagen. Denn nun bat er mich, ihn doch so anzunehmen, wie er ist, und ein „Bitte lach nicht!“ „Hm,“ sagte ich lachend „Heiliger Strohsack! Ich lache dich nicht aus, denn mir ist das doch alles so alt vertraut, sodass es mit dir und mit mir einfach nur lachend hilflos mitfühlt.“ „Und was die Bitte betrifft, ICH kann das nicht, ICH fühle mich überfordert! Diese Anforderung an mich ist mir zu schwer, und unmöglich sie dir zu erfüllen, und mein Köpfchen ist nur bei dem Versuch sofort damit verzweifelt!“ Wütend reagierte Hans- Jürgen: „Mann! Jetzt geht das wieder los! – kannst du nicht einfach still sein und mich annehmen?!“  „Oh, Mann der Ton! Du sagst mir unterschwellig, was du willst, willst, willst! Und was ich sein soll und tun soll! Und bei mir ist Ärger! Ich muss erst einmal Luft holen. Okay. Hm, ICH würde ja so gern alles tun, damit du glücklich bist. Doch, wie mir bewusst ist, ist das eine vergebliche Lebensmühe. Es funktioniert einfach nicht! Hm, doch du, kannst du dich denn so annehmen, wie du bist? Kannst du mit dem still sein, was bei dir ist?“ Und als er weiter forderte, fiel alles in mir zusammen. In absoluter Hilflosigkeit stand ich vor ihm und war auch bereit zu gehen, denn so kann ich nicht mit ihm essen. Nun stand auch er hilflos da und fing fast an zu weinen. So kam er auf mich zu und nahm mich ganz weich in den Arm. Wir sahen uns in Frieden und Mitgefühl ergeben an, und konnten jetzt ohne Worte, in einer ganz leisen stillen Freude, gemeinsam essen; und ich war so dankbar, wie ehrlich er sich nun auch schwach und hilflos gezeigt hatte. Und nach dem Essen bat mich Hans-Jürgen, wieder fast kläglich, dass ich mich doch mit ihm noch kurze Zeit gemeinsam auf sein Bett lege. Ich schnaufte kurz durch, ehe ich von mir sprechen konnte: „ Keine Ahnung, ob dir das bewusst ist, doch in dem Ton deiner Bitte war für mich ein unausweichliches Einfordern zu hören. „Ja und?“ sprach Hans-Jürgen trotzig „Ist was verkehrt daran?“ „Nein. Doch ich kann in der massiven Anforderung an mich im Moment nicht das fühlen, was ich möchte, was ES will. Ich brauche Zeit, um damit still sein zu können, sodass es sich von allein zeigen kann.“ Und da war Zusehen, wie ich auf den Balkon ging, wie ES in die Küche an dem Schlafzimmer vorbei ging. Und da war mir klar, was ES möchte, nämlich gehen und mit sich allein sein. Als ich das sagte, war bei Hans-Jürgen tiefe Traurigkeit, die mich sehr berührte, doch nichts an dem änderte, was hier bei mir war. Nun standen wir uns ratlos gegenüber. Ich spürte diesen Sog der tiefen Traurigkeit, die sich, wie ganz schwer, in ein „ICH armes Opfer“ verändert hatte, und hörte mir zu, wie ich sagte: „Mann! Ich hab dich so lieb, doch fühle ich mich nicht für diese schwere Traurigkeit, die bei dir ist, verantwortlich. Das geht nicht! Du selbst bist es für dich.“ Und ging langsam die Treppe runter, auch wenn ich sein, jetzt eingeschnapptes, Gesicht sah. Dem ICH fiel es nicht leicht, ihn damit stehen zu lassen, doch in dem Auftreten meiner Füße war so eine vertraute Festigkeit, und im Aufatmen des Bewusstseins von unendlicher Liebe zu ihm, fiel es mir leicht, gelassen zu gehen.