Sucht oder die Suche von scheinbar Vanessa. (meist in Ichform)
Ich möchte mit dir teilen. Vielleicht kannst du auch in diesem Schreiben für dich so maches „Aha oder ach so“ entdecken, wie ich das, während des Schreibens, für mich sah. Doch bitte, jede Lebensgeschichte ist einzigartig, deine so wie meine. Auch wenn hier gesehen wird, dass diese nur scheinbar meine ist, musst du es für dich nicht so sehen. Vielleich ist das der einzige Unterschied zwischen dir und mir, (und das weiß ich nicht. Doch wenn du magst, schau selbst…) dass hier klar gesehen wird, dieses Schreiben geschah durch diese Gestalt, durch diese Hände von scheinbar Vanessa, also gehört sie mir nicht, und das Ich kann sie nicht besitzen. Und doch, so ein Witz, möchte sie mit dir geteilt werden, von Herz zu Herz. Hier ist grad eine liebevolle Erinnerung aufgestiegen, eine unbeschreibliche Dankbarkeit, auch an Gabriele Rudolph, einer wunderbaren Freundin. Denn jetzt sind Worte da, und nun schreibt diese Dankbarkeit. Es sind Erkenntnisse aus Erfahrungen. Ein Teil von scheinbar Vanessa’s Lebensgeschichte, aus einer Sichtweise, die heute, im Abstand für mich, klar erkennen lässt, wie Suche, und somit die Sucht, im göttlichen Lebensspiel miteinander spielen. So viel Aufwand und Selbsttäuschung für nichts! Denn die Suche leugnet, dass alles, was gesucht wird, bereits ist. …Und wie das Leben damit spielt, wie unendlich viele Missverständnisse dabei eine Rolle spielen, und dennoch alles zum göttlichen Lebensspiel dazu gehört, also in dem Geschehen vollkommen ist. – Und wie es hier gesehen wird, ist es aus der Stille heraus erkennbar, doch vom Verstand nicht zu verstehen, was auch nicht nötig ist. – Denn als Kind wurde in schwerer Krankheit erfahren, dass ich nicht der Körper bin, der dennoch in der Lebendigkeit vom Leben nicht getrennt ist. Es war eine Todes- nahe Erfahrung. Ich war in einem Zustand von tiefstem Frieden, und dem Sehen, dass dieser Frieden, diese Stille allem zu Grunde liegt, ein Einssein, wie im unendlichen Wasser des Ozeans, das alles zu verbinden schien. Doch es war nicht möglich diese Erfahrung in Worten mitzuteilen. Im Gegenteil, es wurde schon in dem Versuch, belächelnd ablehnend gestoppt! Und darin fühlte ich mich dann von allen ringsum alleingelassen. Doch auch das Alleingelassensein landete bei mir oft im Frieden. Nun, aber nicht immer. Ha, klar erschien dann für mich eine krasse Trennung. Und das scheint ein Naturgesetz zu sein, wenn die Aufmerksamkeit das Zuhause, das Bewusstsein der Stille verlässt; denn immer wenn die Aufmerksamkeit in das Köpfchen ging, war da eine Trennung wahrzunehmen. Und hinzu kam das, was ringsum, mir vorgelebt wurde, diese Trennung vertiefte. Was das Köpfchen wiederum verwirrte; und ein Glaube entstand, dass das, was aus dem Bewusstsein der Stille, des Friedens kommt, und ganz natürlich in mir lebendig ist, nicht zählt! Es zählte nicht, was einfach geschah, es musste eine Bedeutung haben. Tja, ich fühlte mich immer wieder in der Familie überfordert und erschöpft, und ruhte mich Monate lang in der kühlen Atmosphäre vom Kinderheim aus. Nicht zu fassen. Doch für die, die davon hörten, schien es etwas schlimmes zu bedeuten. – Nun, und für mich bedeutete es, dass ich als Sieben- bis Neunjährige, jedes Mal in letzter Minute meine Mutter vor dem Selbstmord rettete, dass ich es war, die das tat, obwohl in dem Geschehen sehr wohl gesehen wurde, dass das nicht stimmte, denn es geschah einfach nur durch diese Gestalt, denn „mich“ gab es in dem Moment gar nicht. – Doch es schienen ringsum Vorstellungen zu zählen!
Vorstellungen, denen verheißende Eigenschaften zugesprochen wurden, was sehr berauschend war. – Und ich lernte die Verführung kennen, denn sie versprach so manches! – Darin schien die Regel: was dem Ich im Köpfchen keinen unmittelbaren Genuss verspricht, ist langweilig. Die ganze Aufmerksamkeit ging in Richtung Ekstase, Kick, Erregung, Rausch, Abenteuer, Bedeutungen. Hinzu kam, dass ich als kleines Kind, weil der Körper so schwach war, Jahrelang ein Glas Rotwein, verquirlt mit einem rohen Ei, bekam. So entstand hier wohl auch schon im kleinen Körper, so wie im Ich, die Grund Sucht; die Suche nach immer mehr, immer besser und größer. – Obwohl immer wieder, ganz plötzlich, alles wegfiel, und es einfach still war. Ha, und wie die Stille tanzte… Nun war es für mich wie ein Geheimnis, denn das schien ringsum nicht zu zählen. –
Und hier wurde gesehen, wie viel Willen, als Durchsetzungskraft aufstieg, oft mit Trotz, wenn sich die Suche im Kopf bewegte. Denn sie war mit den festen Überzeugungen und Glaubenssätzen verbunden, in denen es etwas gibt, was mich wieder in die Stille, oder auch ohne sie glücklich und zufrieden machen kann und wird; ja, das alle Probleme, wenn auch nur für kurze Zeit, löst. Und da ich mir so sehr wünschte, mich von den Anderen nicht mehr getrennt zu fühlten, gab ich mir große Mühe alles dafür zu tun, die Anderen glücklich zu machen, um eigentlich, damit selbst glücklich und in Frieden mit mir und ihnen sein zu können. Ich war berauscht, glücklich trunkend und blind im Helfen, und schien doch zufrieden. Ich konnte nicht die Machtlosigkeit des Ichs, in seiner Hilflosigkeit sehen. – Gut. Doch da solcher Friede, solche Glücklichkeit nicht lange anhielt, brauchte das Ich im Köpfchen immer wieder einen Kick, also wieder eine enorme Anstrengung. Da ich oft große Freude empfand zu kämpfen, und mich darin in voller Siegeskraft fühlte, liebte ich es sehr – nämlich, zu siegen! Es war wie ein Rausch von Rechthaben- Wollen. Bis bemerkt wurde, dass daraus wieder ein Getrenntsein wurde, das sehr ernüchternd war. Daraufhin suchte, das sich sooo getrennt fühlende, Ich im Köpfchen eine neue Strategie, wieder und wieder. Wenn alles wieder misslang, resignierte ich sehr, ich wollte keine Niederlage! In dem Toben und Umsichschlagen erfuhr ich noch mehr Ablehnung, und somit nicht nur Getrenntsein, sondern Isolation! Was für eine Verzweiflung im Köpfchen! – Hier im Schreiben ist grad so viel Mitgefühl – mit dem Ich im Köpfchen, und ein zärtliches Umarmen. Denn es kann nicht anders als sich immer wieder so zu verhalten, wenn es sich verloren fühlt, wie ein Kind, scheinbar ohne ein Zuhause, ohne Geborgenheit. Mann! Da war so viel Aufwand, nur um geliebt zu werden, nur um dazu zu gehören. So viel Aufwand , sich stark zu zeigen, und nur bloß nicht schwach, was dennoch immer wieder geschah, und dann als peinlich empfunden wurde. Und „so“ wollte ich nicht mehr da sein! Und ich betrank mich, fraß mich zu oder nahm andere alle möglichen Drogen, die scheinbar weniger auffielen. Und doch nur, mit dem schier zugeschütteten tiefen Wunsch, einfach nur aus dem Bewusstsein der Stille heraus ganz natürlich leben zu können! Vanessa wollte leben, endlich leben! Doch sie wusste nicht, wie? Es schien vergessen zu sein, das einfach sein – ist, und nicht gelernt werden kann oder braucht. So kam ich zu den Anonymen Alkoholikern, zu AA, und ver- lernte dort vieles, was mich so zwanghaft suchen ließ, und empfand das als Gnade! – Hier hörte ich mit großem Staunen, dass es reicht, wenn der Wunsch da ist, mit dem Trinken aufzuhören, was für eine Erleichterung, denn mir war bewusst geworden, dass „Ich“ das nicht kann! Hier wurde von Gott oder einer höheren Macht gesprochen, oder wie ich es auch gern nenne, vom Leben, denn Gott ist für mich das Leben. Und dann hörte ich auch: Nur für Heute! WOW! und nicht für immer und sofort, denn das Köpfchen fühlte sich sofort überfordert und war in Panik. O ja, der gewohnte, erlernte Kampf ging weiter. Der Kopf wollte sich wieder und wieder berauschen, jetzt trotzig und stolz ohne Alkohol, ohne die mir bekannten Drogen, um die schreckliche Einsamkeit zu vertuschen. Bei AA nennt man das „nass im Kopf“ sein, was zu Rückfällen führte. Das Ich war nun mal in dem Glauben und voller Verzweiflung, denn so hatte ich das gelernt, dass das „Ich“ das Leben – lebt, und doch, um irgendwie zu überleben oder irgendwann doch endlich einfach nur leben zu können oder es endlich können sollte! Ich liebte den Kampf, doch nicht diesen! Mann! Doch Okay. Und da war tiefe Sehnsucht und die Hoffnung, Hoffnung auf irgendwann, denn der Kampf zu Überleben führte zur Erschöpfung. Doch es war dennoch keine Bereitschaft da, wirklich zu kapitulieren. Tja, und das Leben sorgte für eine Amnesie! Ich war mit 42 Jahren, wie ein kleines Kind, mir selbst fremd, in der Fremde, das nicht zwei zusammenhängende Sätze sprechen oder lesen konnte. Und ich suchte nach meinem Zuhause. Aufgefangen fühlte ich mich dann in der Psychosomatischen- Klinik in Grönenbach. Danach wurde die ganze Familie verlassen, und wieder, hm, um überhaupt zu – überleben! Und ich konnte nicht anders als bei AA, die jetzt für mich wie eine Familie war, wieder und wieder um Hilfe bitten, um zu überleben. Und diese Hilfe war da! Was für ein Segen! Es war so quälend für das Ich zu sagen: Ich bin Alkoholikerin – und doch anscheinend erleichternd gut. Ich lernte in der Obhut von AA wieder sprechen und lesen, was durch die Amnesie verloren gegangen war. Ganz allmählich begriff ich, dass nicht ich das Leben in den Griff bekommen müsste, sondern, dass das Leben – mich – im Griff hat, mal fest und mal ganz behutsam. Nur nicht so, wie ich mir das vorstellte und wollte!! – Denn der Stolz hinderte mich daran zu der quälenden Einsamkeit zu stehen. Nun, da geschah die Gnade von Trocken- und Clean- Sein, denn das Leben führte scheinbar mich in Ergebenheit, die plötzlich eintrat, ohne mein Zutun. Und diese führte mich ganz unerwartet ins – Nichts, in Leere, und das Ich verschwand darin. Es war wie ein Sterben, doch das Ich fiel immer wieder in Liebe. Was für ein Wunder! Und es tauchte darin auch wieder auf. Auch das war nicht zu fassen. Da war einfach Staunen. Nun konnte das Ich nichts anderes als in Ergebenheit immer wieder Alles lieben. Was darin so neu bewusst gesehen wurde, war, dass das Leben ist… stets gegenwärtig ist. Und das es die Gedanken sind, die immer wieder davon weg gingen. Und bei mir war ein Aha: für die Gedanken im Kopf war das also so wichtig, und eine große Hilfe, dieses: „Nur für Heute“! Wie schön, das zu sehen. Hmmm. Jetzt war für mich jeder Moment Gnade. Doch im AA Meeting fand ich kaum Worte, ohne Arrogant oder Überheblich zu sein, denn das, was gesagt werden wollte, konnte nur vom Herzen her, aber nicht vom Verstand allein, verstanden werden. Okay, da war keine Erwartung. Es schien alles dazu sein, vollkommen zu sein, und doch schien da etwas zu fehlen. Es fühlte sich einfach nicht ganz rund an. Somit blieb da, hm, doch jetzt, eine sehr unterschwellige Suche übrig, die mich zum Satsang brachte, zu einem Treffen, wo mir ein Mensch begegnete, der ganz Mensch ist, und sich doch seiner Göttlichkeit bewusst. Und ich war fassungslos vor Staunen über diese schier überlaufende Liebe, die mich dort umarmte. – Erst floss alles, was gehört wurde, einfach hinein. Und dann entstand ein Widerstand, einmal war da Offenheit, dann wieder Verschlossenheit. Mit dem Widerstand ging die Aufmerksamkeit in den Kopf, in dem alle möglichen Tricks hoch kamen, um wieder zu herrschen, in dem Spiel von Vorstellungen, von Rechthaberei, von Bedeutungen, von Verführung… Denn das Ich liebte diese Tricks, diese Kicks, Erregungen, den Rausch, die Ekstase und das Abenteuer darin. Das wollte ich mir nicht wegnehmen lassen! Ich wollte weiterhin nur gewinnen, und ja nichts verlieren! – Und da war, mir so nahe, wieder diese Hilflosigkeit, die sich nicht abschütteln ließ, obwohl ich sie nicht wollte! Doch genau diese Hilflosigkeit sorgte dafür, dass die Bereitschaft und die Bitte aufstieg: Bitte nimm meinen Kopf! Und als es mir nach langer Zeit, so richtig dreckig ging, wollte ich, dass mit diesem Kopf ganz liebevoll umgegangen wird. Doch es geschah etwas, was den Kopf total kampfunfähig machte. Es war, ohne mein Zutun, plötzlich keine Kraft mehr da zu kämpfen, und alles im Kopf war wie zerrissen und fiel in Leere – WOW – !
Da war Sehen, dass in der Leere sich dennoch das Leben wie von allein bewegte, und wie im Fuß war. Und einen Tag später war das, was scheinbar so weit weg schien, dieser tiefe Friede, diese unendliche Stille von Einssein, wie im Wasser des unendlichen Ozeans, wieder da, wie es das als Kind erfahren hatte; es gab diesen Körper nicht, aber ein Bewusstsein von Aufstehen, Gehen und weiteren Bewegungen. Und ein lächelndes Staunen, denn es war nie weg gewesen. Das war wie aus einem Traum aufwachen. Es war einfach nur eine Verschiebung, ein Wegfallen vom „Ich – mit allem, was das Ich für sich behalten, und nicht verlieren wollte!“ Und in dem Reichtum von Vollkommenheit fehlte nichts, trotz des absoluten Verlustes. Da war eine leise Freude und Staunen. Denn in der Leere, in der unendlichen, permanenten Stille gibt es kein „Ich“, da ist niemand, und doch erscheint da – leben (klein geschrieben) in purer Lebendigkeit, und hin und wieder ein Ichen. –
Die Illusion vom Getrenntsein war verschwunden, die Suche von scheinbar Vanessa zu ende. – Und auch wenn aus dem Bewusstsein der Stille, Trennung erscheint, die Suchen auslösen mag, ist hier klares Sehen, dass sie einfach in diesem Moment des göttlichen Lebensspieles dazu gehört: Einheit, die Trennung spielt, die somit auch willkommen ist, und die Suche löst sich darin auf – und da ist immer wieder stille Freude, wie ein Kind, das staunt. In Liebe Vanessa
…und vielleicht magst du für dich auch die Gedichte lesen…oder einen Brief an Samarpan