Einfachsein-ist – Tod und Trauer

Tod und Trauer – oder

Ein Liebeslied an Das, was du bist.
              

Dies ist das Liebeslied, dass von der Liebe singt; ein Lied von der Freiheit, die in unserem Körper mit allen Sinnen gelebt wird. – Nun, und der Tod? Der Tod ist eine Fiktion, und nur ein „ich bin Jemand“ glaubt er sei real. – Denn sieh, im Sterben endet die Zeit. Es enden alle Vorstellungen von der Herrschaft des Verstandes; von scheinbar seinen Bemühungen, von dem ganzen Streben die scheinbare Getrenntheit loszuwerden, um endlich befreit zu sein. Im Sterben des Körper/Geist/Organismuses, wo diese einzigartige Erscheinung aufhört zu funktionieren und alles anhält, was als Tod bezeichnet wird, herrscht wieder Einheit; – Das – was nie stirbt, was ewig lebt. Es gibt nur Einheit, es gibt nur Sein. Und ein anderes Wort dafür, ist Gott. – Und alles was scheinbar geschieht, geschieht niemandem, geschieht Gott; Nichts, das als Alles erscheint – ist Gott. Und was gibt es denn da anderes, als Gotteswille. –  

Doch in dem göttlichen Lebensspiel wird oft vom scheinbar „eigenen“ Willen gesprochen. Hm, Es gibt keinen eigenen Willen! – Das ist gut zu sehen, wenn trotz aller Bemühungen ein geliebter Mensch stirbt. Nun, denn das ist auch Gotteswille. 

Hm, auch hier, im Satsang geht es um Sterben – um die Auflösung des Traumes ein Jemand  zu sein, um den Tod des scheinbar getrennten Individuums. – Denn so manches „Ich!“ – eben, es träumt vom himmlischen Tod des Erwachens, doch sterben will es nicht.   Was auch Gotteswille ist. – Dabei ist Erwachen einfach nur Sterben – bevor der Körper stirbt. –

Doch das, was als endgültig erscheint, macht den Verstand total hilflos. Das scheinbar Endgültige will der Verstand nicht wahr haben, denn da ist Leere, die er nicht erfassen, nicht begreifen kann – Leere, die von Liebe überfließt – Das, was du bist. – Das Liebeslied, dass von der Liebe singt; ein Lied von der Freiheit, die in unserem Körper mit allen Sinnen gelebt wird – Es ist stets da, in absoluter, einzigartiger Lebendigkeit – eine unendliche Feier des So- Seins. – Auch wenn das vom Verstand her unmöglich so gesehen werden kann, was auch göttlich ist – und zu dem Tanz des Lebens dazu gehört.                                      * Und nun zur Geschichte, wenn du magst. – Hier sind kleine Ausschnitte: – Stille, die aus dem Herzen singt – Doch aus der Sicht des Traumes: vom Werden und Vergehen, scheint das Singen zu verstummen und das Licht wie erloschen, wenn von dem Endgültigen, gesprochen wird; dem Unfassbaren in dem göttlichen Lebensspiel; und hier von einer Mutter, die eines ihrer geliebten Kinder, durch Selbstmord verliert. Da scheint normeler Weise, ins Dunkel hinein, alles zusammenzubrechen. Auch wenn das Kind schon erwachsenen war, und doch nur 39 Jahre wurde; für eine Mutter – ist das anscheinend eine unfassbare Katarstrophe! – Doch es war so erstaunlich, was geschah – denn in der totalen Akzeptanz dessen und vom Platz der Stille aus, war die Wahrnehmung eine andere, als in der Verwicklung, in der Identifikation mit der Geschichte und den Rollen von Mutter und Kind. Da war Stille; Leere, in der Behutsamkeit erschien, und dann ein erstauntes Lächeln. Da war nichts verloren gegangen, denn in Stille, da ist Niemand, also auch kein Besitz, der verloren gehen könnte.                        *                          Es war Im Juni. – Am Telefon meldete sich Vera, Vanessa’s Tochter. (Sie wohnte z. d. Z. in Duisburg und Vanessa in Esslingen am Neckar bei Stuttgart) Sie weinte. – Und ohne Vanessa zu berichten, was ist, sagte sie: „Halte mich einfach nur im Arm, sonst nichts.“ – Und da war nur Stille und Zärtlichkeit, und keine Fragen, denn es war zwischen „Mutter“ und „Tochter“ alles geklärt, denn Vera genoss es, dass ihre „Ma“ keine Erwatungen mehr an sie hatte. Und Hans Jürgen brachte Vanessa ein Kissen, das die ganze Nacht im Arm gehalten wurde. – Mitte Juli, als Vanessa da saß und nähte, vernahm sie ein zartes Geräusch, das wie Weinen klang. – Sie sah sich um und entdeckte in einer Zimmerecke eine große Fliege, die sich in einem Spinnennetz verfangen hatte, und das Schlagen ihrer Flügel erzeugte dieses Weinen. Staunend wusste sie, dass das eine Botschaft war. – Da war eine tiefe Einsicht ohne Worte. Was sich hier in Worte so ausdrückt:“ Ein ICH in totaler Verzweiflung, ist wie die Fliege, die sich im Spinnennetz der Gedanken verfängt, und wenn das Leben es will, wird scheinbar das ICH gefressen.“ – Und ein tiefes Bewußtsein von: Es ist wie es ist. Da ist niemand, der etwas tun könnte, und auch niemand, der gerettet werden sollte. Es ist ein Geschehen, und es geschieht niemandem. – Vanessa verneigte sich vor dem, was da geschah, in stiller Dankbarkeit. – Tage später, rief Christel, Vanessa’s Schwester an. Doch sie redete wie die Katze um den heißen Brei und schnappte nach Luft, und verstummte immer wieder. – „Sag mal“ war die Frage an sie „gibt es kein direktes Wort dafür, was geschehen ist?“ – „Doch“ sagte sie leise und atmete tief durch: – „Vera ist tot!“ – Und alles stürzte ins Leere! – Leere, Stille, tiefe Stille, Frieden – und da war einfach das Telefon in der warmen Hand, die Füße am Boden. Kein Gedanke, kein Gefühl, und wenn es als Gefühl zu beschreiben ist, dann so, als ob die Stille eine sanfte Umarmung war, Nichts, Leere, die sich mit Etwas zu füllen schien: ein unbeschreibliches Lächeln, das herzhaft lacht, wie das Lachen von Vera. –  Irre – nicht zu begreifen! Das ist ein Paradox. Das Köpfchen konnte nur staunen wie ein kleines Kind. Und dann begann Es aus der Erinnerug heraus – in der Stille – mit Vera zu sprechen: Hey, Liebes. Mmmm, wie du die Massagen von „deiner Ma“ geliebt hast! Ja, diese Massage -Rituale, die berührten Bewegungen, verliefen stets so still. Es war Friede zwischen uns, in dem sich jetzt ein dickes Danke auftut, für soviel Wertschätzung und Vertrauen. Danke. –                                                   Ja. – Süße, Es sprudelt! So ist es, wenn das Herz vor Liebe wild überlaufend sprudelt- so warm, so prickelnd, so beschwingt. Diese Hände können nichts anderes als das, was sie tun, jetzt tun. Genau betrachtet, es geschieht. – Und das Fragen des Verstandes, wieso, warum, weshalb? Diese Fragen sind wie ferne Wolken, die keine Kraft haben. Da ist Stille, in der scheinbar weit weg leichte Wolken von Gedanken erscheinen. Und die Hände spielen wie ein kleines Kind, dass dir ein feuriges Liebeslied schreibt. Und nun lies selbst:    „Oh, Vera, Liebes, da ist Staunen – denn Du wirst nicht vermisst, denn Du bist – Hier, in Freude! Doch ohne Dich hat die Existenz im Geist, scheinbar eine Lücke. Ohne Dich scheint in diesem Universum etwas Schönes verloren gegangen zu sein; ein Lied scheint vermisst zu werden, ein Ton scheint vermisst zu werden, Doch – nein! – nicht wirklich; und da ist tiefe Leere. Oh, Vera! Denn Stille ist jetzt dein Lied, und dieser Ton ist ein unbeschreiblicher Gesang in meinem Herzen, und diese tiefe Leere, – Leere bist Du – in der sich die Freude wie ein Tanz bewegt – und im Moment sehr wild.“ Und da wird staunend gesehen: Alles was erscheint ist wie eine Explosion aus dem Nichts, scheinbar hinein in die allumfassende Einheit als Etwas; wie jetzt hier – Wildheit. Und alles was dann geht, löst sich als Etwas im Nichts auf. Etwas scheint – vorbei zu gehen. Das Leben sieht so aus, als bewege es sich rückwärts! Alles geht zurück – woher es kam! Das Leben kommt mir entgegen, und vergeht wieder. – Leere, Ruhe, die sich bewegt, als Etwas, und im Moment: wie ein wilder, leidenschaftlicher Tanz. – Stille, die klingt, als Etwas: wie ein Gesang voller wilder Leidenschaft: „ich liebe dich – ich liebe dich…“ – was immer sanfter wird – sich in der Unendlichkeit schwimmend ausdehnt und in der Stille ruht, – und Stille ist.                                                           Hallo Vera, Liebes. Am frühen Morgen, am Tag der Beerdigung ging ich im Sonnenaufgang spazieren, um für dich, Vera, einen Blumenstrauß aus Feldblumen zu pflücken, weil du Feldblumen so liebtest, nicht wissend, wie ich diesen bis zum Nachmitttag frisch halten sollte. Die Vorstellung von einem Feldblumenstrauß in meinem Kopf fiel im selben Moment zusammen, wo ich an einem großen Rosenfeld vorbeigehen wollte, und dieses gesehen wurde: Im Innehalten, staunend vor Entzücken, klatschten die Hände. Denn entlang der Rosenreihen lagen Hunderte oder Tausende von Rosenblüten, wahrscheinlich vom Gärtner beschnitten. Herrliche kleine Röschen, etwa im Durchmesser von drei bis vier cm, in der Farbe von gelb bis orange und rot. Und sie brauchten nur eingesammelt werden! Eine proppenvolle Tasche für dich Vera und für mich! hüpfte es in mir. Wie wunderbar! – Ja, es ist immer wieder ein Wunder, und unverdient, was geschieht, wenn Vorstellungen wegfallen. – Und als ich dann hinter „deinem“ Sarg herging, war mir, als tanze und singe es in mir, als singe die Stille – Halleluja, und ganz zart Arve Maria. – Es lässt sich nicht wirklich beschreiben. Meine Hände griffen in den Karton von Rosenblüten und ließen sie auf den Weg fallen. Als Silvia, deine Schwester, mich nach der Beerdigung fragte, wieso ich das tat, konnte ich ihr nur sagen: Ich weiß es nicht. Wozu auch, meine Hände taten es in dem Moment, sie dienten dem Moment, sonst nichts, da war kein Gedanke. Hm – Vera, es muss auch nicht verstanden werden. – Auch wenn später solche Gedanken auftauchten, dass das, als in der Niederkunft der kleine Körper geboren wurde, ja ein Fest des Willkommens war; und nun im Höhepunkt des Lebens, wie eine Hoch – zeit, wo auf dem Weg Blumen gestreut wurden, und der Rest wieder über des Körpers Niederkunft gestreut wurde, was für ein Fest! Und bei diesem Bild war das Köpfchen lächelnd, still und zufrieden. – Hm, hier ist im Schreiben gerade Freude am Anschauen, und es möchte dies so gern mitgeteilt werden: Manchmal habe ich Trauer mit Selbstmitleid verwechselt, was geschah und genau so göttlich ist, wie jedes Gschehen. Und hinzu kommt, dass hier gesehen wird: da war niemand, der eine Wahl hatte. – Nun zurück zum Selbstmitleid. In ihm benutzt das „Ich bin Jemand“ die Trauer für eine Leidensgeschichte, um in der dramatischen Geschichte zu baden oder um wieder und wieder um die tiefe Trauer herum zu gehen, um dann erschöpft zu sagen: Jetzt habe Ich genug getrauert. Oh ja, es wurde nicht gesehen, dass so, die Tiefe der Trauer vermieden wurde, was nicht falsch war, sondern auch ein Geschehen ist, im göttlichen Spiel. Und im genauen Hinschauen wird klar gesehen: das Gegenstück von Trauer ist die Energie der Freude. Denn so wie Freude eine hohe, tanzende Energie hat, so hat Trauer – Tiefe. Hm, und sie ist so umwerfend schön, so köstlich – diese stille Tiefe von Trauer. –                                                Denn, wieder Tage später – einmal, während eines Einkaufes in Esslingen, stieg ein Gefühl von tiefer Trauer auf. Oh ja, auch Trauer ist ein Gefühl, das im Grunde niemandem gehört, es ist ein Geliebter des Lebens, das wurde wahrgenommen und mochte einfach dasein. – Und was ich hier beschreibe, mit so vielen Worten, war eigentlich ein Geschehen ohne Worte. Da ist Stille, in der ein Gefühl von Trauer erscheint. Ohne Geschichte, so tief und still. Es war wie ein Ruhen in der Trauer, in der, wie es schien ein immer tieferes Sinken wahrzunehmen war. Leere und tiefer Friede begleiteten die Bewegungen der Hände und Füße. Und ohne nachzudenken, was wohl noch zu besorgen sei, besorgte „ich“ alles, nein, es ist eher so, dass alles besorgt wurde, ohne ein Nachdenken. Alles, sogar mehr, auch das, was ich vergessen hatte aufzuschreiben, wie ich zuhause lächelnd feststellte. – Die Stille vertiefte sich mehr und mehr. Und unerwartet stieg eine –  S ü ß e, wie, von Nektar auf. Für den Verstand ist es unfassbar! Eine Süße, die alles Süße, was ich je gegessen hatte, übertraf. Und da war staunend und lächelnd zu sehen: wie eine gebündelte Energie von einer unbeschreiblichen Süße, die sich in der Unendlichkeit ausdehnend auflöste. –   – Und dann stiegen Gedanken auf, (denn der Verstand wollte es doch so gern verstehen): Ist es diese Süße, dieser Nektar, wonach wir uns alle eigentlich sehnen, wenn da ein Hunger nach der Süße des Lebens ist? Eine Süße, die wie hier, in der Tiefe des Gefühles, der Energie von Trauer so offensichtlich verborgen ist? – Oh, Vera, Liebes – zu begreifen ist es nicht wirklich – aber unendlich köstlich. WAU! – Was für ein Geschenk, das sich in der Tiefe, im Zentrum von Trauer offenbarte. – Das Leben ist in seiner Lebendigkeit immer wieder ein Wunder. Es lädt ein zum Staunen. So wie beim Bummeln in der Stadt, dann Tage später. Es wurde der Körper schwer wie Blei. So schwer, dass ich stehen bleiben musste. Ich lachte, denn da war eine ganz starke Wahrnehmung, dass „du Vera“ neben mir bist und ich fragte dich: „He, was ist?“ – Oh, es ist wieder nicht zu begreifen, denn ohne Worte vernahm ich von dir: „Schau auf den Boden nach rechts.“ – Und da lag ein Stück Papier.  (Ausgerissen aus dem Etikett einer Flasche Mineralwasser, wie ich später erkannte.) Und ich sah in dem Moment nur den Namen – Vera, der auf dem Papierfetzen stand – und lachte, lachte – lachte – fassungslos. Mann, was für ein Wunder. Eine wohlige Dankbarkeit machte sich in mir breit. Alles schien wie erfüllt – von dir. –                                                                                                           Oh ja, Vera! – Als ich dann in den ersten Tagen nach der Beerdigung wegen der Klärung des Nachlasses unterwegs war, ohne das da Leiden war, sagte mir die Beamtin voller Mitleid: „Herzliches Beileid“. Und da war kurz so etwas wie ein Kippen in der Gradwanderung des Bewußtseins, ein Kippen in das: „meine“ Tochter. Es ist das Identifizieren mit der Rolle „Mutter“, und sofort ist da Leid! Doch bei dem Erkennen der scheinbaren Trennung der Einheit, der Identifikation, war es wie ein sofortiges Umkehren, wie ein Nachhausegehen in Stille… Leere, und dann ein Erfüllt-Sein von Freude und tiefer Dankbarkeit. „Danke“, sagte ich zwar mit ernstem Gesicht, denn wie konnte ich dieser Beamtin sagen, dass hier ein Lachen in sprudelnder Freude war. Und als ich auf der Straße ging, konnte ich nicht anderes, als voller Freude lachen, lachen, lachen. Es war, wie eine Explosion von glockenhaftem Lachen. Es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre tanzend durch die Stadt gelaufen. Doch das Gehen war beschwingt und voller Lebendigkeit, erfüllt und überlaufend von Dankbarkeit. Oh, Vera, geliebte Vera! – Du bist überall – alles ist erfüllt von dir. Und dieses Erfülltsein klingt aus der Stille, aus der Leere heraus, wie ein ewiges Liebeslied – das Nichts und Alles ist – und du bist Das.                                                       * Oktober 2000 Das, was hier geschrieben wurde ist Silvia gewidmet, in Liebe, ohne weitere Worte.  

Selbstmord     Wieso der Geliebte